Das Forschungszentrum Organization Studies am IMP-HSG (Lehrstuhl Johannes Rüegg-Stürm) freut sich ausserordentlich über die jüngst eingegangene langfristige Partnerschaft mit der Helmholtz-Gemeinschaft mit Sitz in Berlin. Zusammen mit der Organisations- und Managementberatungsgesellschaft osb-i wird ein umfangreiches Management-Entwicklungs-Programm entwickelt und durchgeführt, wobei sich das Forschungszentrum Organization Studies auf die Vorstands- und Senior-Executive-Ebene fokussiert.
Die Helmholtz-Gemeinschaft ist die grösste Wissenschaftsorganisation Deutschlands. In ihren 18 naturwissenschaftlich-technischen und biologisch-medizinischen Forschungszentren arbeiten rund 36‘000 Beschäftigte mit Forschungsbudgets von zurzeit rund 3.8 Milliarden Euro im Bereich der europäischen Spitzenforschung. Da die Spitzenforschung zunehmend komplexer wird, ist Forschung in der Helmholtz-Gemeinschaft zunehmend das Werk großer Teams in einem dynamischen, internationalen Umfeld und unter Einsatz großer Infrastrukturen.
Im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Schumacher, Leiter des Forschungsprogramms „Systemisches Management“ im Forschungszentrum Organization Studies, erzählt Dr. Stephanie Dittmer, Bereichsleiterin Strategie/Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft, wie es zur Helmholtz-Akademie kam, warum sich die Gemeinschaft in einem anspruchsvollen internationalen Auswahlverfahren für das Forschungszentrum Organization Studies des IMP-HSG entschieden hat und welche Erwartungen damit verbunden sind.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Frau Dr. Dittmer, wie ist es zu dem Akademieprogramm gekommen?
Dr. Stephanie Dittmer: Die Idee einer solchen Akademie ist schon sehr alt und ein Glücksfall, den man von solch einer dezentralen Organisation wie der Helmholtz-Gemeinschaft vielleicht gar nicht erwarten kann. Die Vorstände der Forschungszentren hatten den Eindruck, dass man das Management in den Zentren professionalisieren müsste und einen gemeinsamen Managementstandard entwickeln sollte. Das ist vielleicht auch nicht ganz zufällig in der Helmholtz-Gemeinschaft passiert, da Helmholtz nicht nur eine sehr grosse Wissenschaftsorganisation ist, die grösste in Deutschland, sondern auch einen sehr hohen Anteil an technisch-administrativem Personal hat. Wer sich im Wissenschaftskontext bewegt, weiss, dass da sehr unterschiedliche Standards und auch Logiken sind, in denen diese Systeme funktionieren. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt, Administration und Wissenschaft werden gemeinsam auf Augenhöhe ausgebildet, und das genau in zwei Richtungen: Zum einen sollen sich Wissenschaftler auch als Manager verstehen, zunächst als Manager ihrer eigenen Forschung, aber dann auch mit wachsender Verantwortung als Manager von Instituten, Abteilungen oder auch den Helmholtz-Programmen. Zum anderen soll auch die Administration ihr Managementverständnis professionalisieren und verstehen, in welcher Organisation sie arbeitet – um die Logik der Wissenschaft besser aufnehmen zu können und die eigenen Anforderungen an die Wissenschaft formulieren zu können.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Was sind aus Ihrer Sicht Herausforderungen für die Entwicklung ihrer Organisation und ihres Managements?
Dr. Stephanie Dittmer: Das ist die zunehmende Komplexität. Die wissenschaftliche Karriere wird definiert durch den Status, den man wissenschaftlich erreicht: vom Studenten zum Doktoranden, zum Post-Doc, Nachwuchswissenschaftler, Gruppenleiter bis hin zur Professur. Und wir stellen fest, dass implizit eine ganze Menge anderer Anforderungen an die Personen gestellt werden. Auch in der Administration sind die Anforderungen stark gewachsen. Es sind sehr grosse Projekte, die wir managen müssen. Aber es hat sich auch stark die Beziehung zur Aussenwelt verändert. Der Legitimationsdruck nach aussen, zu zeigen, wofür man Geld ausgibt, ist heute sehr hoch. Und für die Helmholtz-Gemeinschaft kommt die Politiknähe hinzu. Wir arbeiten nach forschungspolitischen Vorgaben, das heisst, wir sind immer in Abstimmungsprozessen mit Stakeholdern, die nicht aus der Wissenschaft sind, sondern die Wissenschaft begleiten, kontrollieren und mit ihr gemeinsam an bestimmten Problemstellungen arbeiten.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Und die anderen Logiken oder Rationalitäten folgen?
Dr. Stephanie Dittmer: Stakeholder, die anderen Rationalitäten als denen der Wissenschaft folgen, ganz genau. Und diese Rationalitäten besser zu verstehen und damit besser umgehen zu können, ist eine wichtige Zielsetzung in der Weiterentwicklung der Gemeinschaft, der Zentren und der handelnden Personen.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Können Sie etwas zu dem Hintergrund Ihrer Wahl sagen? Warum haben Sie sich für das Forschungszentrum Organization Studies des IMP-HSG entschieden?
Dr. Stephanie Dittmer: Uns war nach den Anfängen, die wir 2007 genommen haben, schnell klar, dass ein Ansatz, den wir als General-Management-Ansatz bezeichnen würden, das Mittel der Wahl ist. Wir wollen uns ein Überblickswissen aneignen und Wissen und Fähigkeiten entwickeln, was der Manager von heute in der Wissenschaft wissen und können muss. Zudem war uns wichtig, dass es den klaren Zuschnitt auf Helmholtz gibt. Managementaufgaben sind in einer Expertenorganisation wie der Helmholtz-Gemeinschaft sehr komplex; dies sollte angemessen widergespiegelt werden. Daher war für uns eine konsequent systemisch fundierte Herangehensweise auf Seiten unseres Kooperationspartners Voraussetzung. Wir ertüchtigen nicht nur den Einzelnen, sondern wir haben das ganze System im Blick. Das bedeutet einerseits, dem Einzelnen zu vermitteln, in welchem System er sich bewegt und wie er darin wirksam werden kann. Andererseits nehmen wir die Organisation in den Blick, um zu fragen, was sie für die Entwicklung ihrer Köpfe tun muss.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Was wäre ein gutes Ergebnis für die Akademie?
Dr. Stephanie Dittmer: Natürlich sollen die Programme überrannt und begehrt sein. Wenn wir es schaffen, Bedarfe zu decken und auch Visionen zu entwickeln, die der gesamten Gemeinschaft helfen, und ich weiss, das sind hier wirklich lange Phasen, in denen man denken muss, dann wäre das ein Erfolg.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Letzte Frage. Gibt es etwas, wovon Sie sagen, da gibt es eine spezielle Erwartung gegenüber des Forschungszentrums Organization Studies des IMP-HSG?
Dr. Stephanie Dittmer: Ich glaube, die hohe Qualität des Denkens und Nachdenkens über Organisationen, das ist schon eine Erwartung, die wir an Sie haben. Die Erfahrungen aus anderen Zusammenhängen, dass Sie diese gut fassen und auf Helmholtz anwenden können, ist eine Erwartung. Es geht uns um sehr praxisbezogenes Handlungs- und Orientierungswissen, aber das auch immer in einen Rahmen stellen zu können, der über den Einzelfall hinaus geht und durch den man auch mit der Führungsebene in einen stärkeren Austausch kommt, das ist für uns wünschenswert. Langfristig wollen wir auch Sektoren überwinden. Wenn es gelingt, da ein Stück weit auch diese Tür aufzustossen, dann wäre das ein grosser Erfolg.
Prof. Dr. Thomas Schumacher: Frau Dr. Dittmer, herzlichen Dank für dieses Gespräch.